Montag, 3. März 2025

Doppelwohnsitz: Wo bin ich ansässig aus Sicht des Finanzamts?

Doppelwohnsitz: Wo bin ich ansässig aus Sicht des Finanzamts?

Wer in zwei Ländern wohnt oder zeitweise im Ausland arbeitet, stellt sich oft die Frage: Wo bin ich eigentlich steuerlich ansässig? Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) erklärt in seinem Urteil vom 3. September 2024 (Ra 2023/13/0186-8), wie der Mittelpunkt der Lebensinteressen ermittelt wird. Diese Bestimmung ist wichtig, da sie direkte Auswirkungen darauf hat, in welchem Land Steuern gezahlt werden müssen.

Grundregel

Die meisten westlichen Staaten wenden zwei Steuer-Prinzipien gleichzeitig an: In dem Land in dem man wohnt bzw. einen Sitz hat, ist das gesamte Welteinkommen unbeschränkt steuerpflichtig. Wer zusätzlich in einem anderen Staat arbeitet oder Gewinne erzielt, muss die erzielten Einkünfte auch dort versteuern (beschränkte Steuerpflicht).

Daraus folgt, sobald in Österreich ein Wohnsitz gegeben ist, besteht in Österreich unbeschränkte Steuerpflicht. Mehrere Wohnsitze in mehreren Staaten führen zwangsläufig zu einer Doppelbesteuerung, die entweder durch innerstaatliche oder zwischenstaatliche Maßnahmen wie Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) vermieden werden sollen. Dem Ansässigkeitsprinzip in den DBA kommt eine zentrale Rolle zu.

DBA verhindert Doppelbesteuerung

Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, hat Österreich sogenannte Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit aktuell ca. 90 Staaten abgeschlossen. Diese regeln, welches Land in welchem Fall Steuern einheben darf.

Es wird unterschieden zwischen:

  • Ansässigkeitsstaat: Staat, in dem z.B. der Lebensmittelpunkt begründet wird
  • Quellenstaat: Staat, in dem weitere Einkünfte erzielt werden

Häufig erfolgt die Versteuerung der Einkünfte im Quellenstaat. Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Ansässigkeitsstaat sieht das DBA die Anrechnungsmethode oder die Befreiungsmethode vor.

Unterschied Anrechnungs- und Befreiungsmethode

Bei der Anrechnungsmethode werden die Einkünfte des anderen Staates zur Gänze im Ansässigkeitsstaat versteuert, die ausländischen Steuern werden dabei angerechnet. Nach der Befreiungsmethode erfolgt keine Besteuerung der Einkünfte des anderen Staates. Für die Ermittlung des anzuwendenden Steuersatzes werden allerdings alle Einkünfte gesamt berücksichtigt; der sogenannte Progressionsvorbehalt.

Tie-Breaker-Regelung zur Feststellung der Ansässigkeit

Wenn eine Person in zwei Ländern steuerlich ansässig ist, hilft die sogenannte Tie-Breaker-Regelung, um zu klären, wo diese Person tatsächlich steuerlich ansässig ist. Diese Regelung findet sich im Artikel 4 Absatz 2 des DBA – OECD-Musterabkommens (OECD-MA). Folgende Kriterien helfen dabei, festzustellen, welches Land für die Besteuerung zuständig ist.

  • Ständige Wohnstätte: Wo hat die Person ihren festen Wohnsitz?
  • Mittelpunkt der Lebensinteressen: Wo sind die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen der Person am stärksten?
  • Gewöhnlicher Aufenthalt: In welchem Land hält sich die Person normalerweise auf?
  • Staatsangehörigkeit: Welcher Nationalität gehört die Person an?

Was bedeutet Mittelpunkt der Lebensinteressen?

Der Lebensmittelpunkt ist der Ort, zu dem eine Person die engsten Bindungen hat – sowohl persönlich als auch wirtschaftlich. Da der Lebensmittelpunkt ein entscheidender Faktor zur Beurteilung der Ansässigkeit ist, ist es wichtig, dass ein Blick auf das Gesamtbild der Lebensumstände geworfen wird. Folgende Faktoren spielen eine Rolle:

  • Familie und soziale Kontakte: Wo lebt die Familie? Wo sind enge Freunde und soziale Netzwerke?
  • Wohnsituation: Wird die Wohnung regelmäßig genutzt? Gibt es einen Hauptwohnsitz?
  • Berufliche Bindungen: Wo wird gearbeitet? Wie lange dauert eine mögliche Auslandstätigkeit?
  • Dauer und Gründe für den Aufenthalt: Ist der Aufenthalt im Ausland nur vorübergehend?

Die Entscheidung des VwGH aus 2024

Im konkreten Fall ging es um einen Österreicher, der mit seiner Familie für eine auf drei Jahre befristete Tätigkeit in die USA zog. Obwohl er dort arbeitete und lebte, sah das Gericht seinen Lebensmittelpunkt weiterhin in Österreich. Warum?

  1. Frühzeitige Rückkehr: Die Familie kehrte wegen der Einschulung der Kinder vorzeitig nach Österreich zurück. Der VwGH hat bereits 2010 in einem Urteil (2009/15/0198 vom 29.4.2010) festgestellt, dass der Schulbesuch der Kinder in Österreich eine entscheidende Rolle für die Bestimmung des Lebensmittelpunktes spielt.
  2. Keine Ansässigkeitsbescheinigung: Auch die Behörden in den USA gingen nicht davon aus, dass er in den USA steuerlich ansässig war.
  3. Starke Bindung an Österreich: Trotz des Aufenthalts im Ausland blieben die engeren persönlichen und familiären Beziehungen in Österreich. Der Familienwohnsitz (Eigenheim) wurde beibehalten, ebenso die österreichische Sozialversicherung. Zudem war die Einschulung der beiden Kinder in Österreich bereits vor dem Wegzug in die USA geplant.

Fazit

Das aktuelle Urteil verdeutlicht, dass bei der Feststellung der steuerlichen Ansässigkeit persönliche Beziehungen eine größere Rolle spielen als wirtschaftliche Aspekte. In der Regel führt eine zeitlich begrenzte Tätigkeit im Ausland, während ein Wohnsitz in Österreich beibehalten wird, nicht zu einer Verlagerung des Lebensmittelpunkts.

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